Info-Brief November 2012

                                                                                                                 10. 11. 2012

Liebe Spenderinnen und Spender, liebe Freude unseres Projekts,

ein sehr ereignisreiches, erfolgreiches Jahr liegt hinter uns und wir freuen uns, dass so viel Bewegung in unserer Arbeit ist. Viel wurde erreicht, viel wurde vorbereitet:

Für die eiligen Leser:

1)   Unsere Sponsorin Zamyat M. Klein hat eine Webseite für uns eingerichtet. Wir hoffen, dass wir damit neue Spender gewinnen können. Bitte weisen Sie andere darauf hin:

www.bruecken-bauen-serbien.de

2)   Unser Benefizkonzert  (Klezmer und jiddische Lieder) war musikalisch wie finanziell ein großer Erfolg. Der Rathaussaal war voll besetzt, die Zuhörer waren begeistert. Danke an die Musiker!

3)   Die wöchentliche Friedensgruppe in Backa Palanka hat sich verändert. Ältere Jugendliche sind nicht mehr dabei, da sie z.B. studieren, dafür sind 9 jüngere neu dazu gekommen. Die Gruppe wird also neu aufgebaut, es ist noch zu früh für Friedensarbeit im engeren Sinne, die Kinder müssen da langsam hinein wachsen. Bisher gibt es kreative Workshops.

4)   Im August fand wieder ein multiethnisches Sommercamp statt, diesmal in Ungarn. 29 Kinder und Jugendliche aus Serbien, Kroatien, Bosnien und Ungarn nahmen daran teil. Es verlief wie immer lebendig und erfolgreich.

5)   Es wurde ein Kontakt zu Mazedonien hergestellt, wo in öffentlichen Tribünen die „Brücke der Freundschaft“ vorgestellt wurde. Es nahmen Jugendliche daran teil.

6)   In  Bosnien (Sanski Most) wurde ein Film über Friedensarbeit gezeigt und für Dezember eine öffentliche Tribüne über die „Brücke der Freundschaft“ vorbereitet. Unsere Jugendlichen werden daran teilnehmen.

7)   Ebenso wurde eine öffentliche Tribüne über die Brücke der Freundschaft in Kluc (Bosnien) vorbereitet, wieder unter Teilnahme von Jugendlichen.

8)   In Mohac (Ungarn) wurde die Brücke der Freundschaft bereits öffentlich vorgestellt.

9)   Im Oktober fand in Sarajevo (Bosnien) eine Konferenz der Friedensgruppen statt. Thema: „Der Beitrag der multiethnischen Jugendbegegnungen für den Aufbau der Friedensarbeit“.

10)                In Kroatien sind bereits 2 öffentliche Tribünen über die Brücke der Freundschaft vorbereitet: im November in Osijek, im Dezember in Vukovar.

11)                Am 16. 11, dem  „Tag der Toleranz“ wird in Serbien über unsere Friedensarbeit mit Jugendlichen berichtet, dabei werden Fotoarbeiten unserer Jugendlichen ausgestellt.

12)                Im Juli fand eine zutiefst bewegende deutsch-serbisch-bosnische Jugendbegegnung statt, eine Woche in Sarajevo, danach in Kroatien am Meer. Die spürbare Nähe zum Krieg und der menschliche Umgang damit waren ein unvergessliches Erlebnis.

13)                In Vorbereitung ist eine „Karawane des Friedens/ der Freundschaft“ von Serbien über Kroatien nach Sarajevo.

14)                Zdravkos Zeitung „Tolerancija“ hat inzwischen angesehene Mitarbeiter aus Serbien, Kroatien und Bosnien. Zwei Bibliotheken haben die Zeitung aufgenommen.

15)                Im letzten Winter haben in Becej, unserer „Patenstadt“ 55 Familien mit unserem Brennholz und 417 Menschen mit unserer „Volksküche“ die Kälte überstanden. Wir helfen jetzt mit Unterstützung des Diakonischen Werks Rheinland ein zweites und letztes Mal.

16)                Über 6 Monate gibt es, unterstützt vom Diakonischen Werke und vom Stadtverband Eine Welt, ein Selbsthilfeprojekt für allein erziehende Mütter die Becej, die Nähen und Schneidern lernen, um hinterher ihre Familien ernähren zu können. Die serbischen, ungarischen und Romafrauen sind motiviert, das Projekt läuft sehr gut.

Sie sehen, was wir in diesem Jahr bewegen konnten, es ist viel, und es ist alles der Mühe wert…

Für die Leser mit mehr Zeit:

Zu 4) – 8):

Was ist das Besondere an diesen grenzüberschreitenden Begegnungen und Veranstaltungen?
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie, das jährliche „Ferien vom Krieg“ (unseren Sommercamps ähnlich) organisiert, beschreibt dieselben Erfahrungen, die auch wir machen: In den Ländern des ehemaligen Jugoslawien besteht eine eher „feindliche Koexistenz“. Die Hilfsorganisationen haben das Land verlassen. „Die wenigen Ansätze zur zivilen Konfliktbearbeitung, denen die Mittel noch nicht gestrichen wurden, arbeiten meist an innerstaatlichen Spannungen. Kontakte über die Grenzen hinweg sind selten. Die Thematisierung der blutigen Kämpfe zwischen Nachbarn sind in der Öffentlichkeit, aber auch in den meisten Familien tabu. In den Schulen mancher Regionen bedarf es einer besonderen Genehmigung, darüber zu sprechen. Nationalistische Propaganda und pauschale wechselseitige Schuldzuweisungen fördern die Feindbilder eher als sie abzubauen.“

Wir tun genau das, was offiziell nicht gewünscht wird: Wir organisieren Begegnungen über die Grenzen hinweg, damit die Menschen sich kennen lernen, um sich eigene Bilder vom jeweils Anderen zu machen und Vorurteile, Ängste, Feindseligkeit abbauen zu können.

Zdravko ist oft verzweifelt, weil die Menschen , wie er schreibt, noch so weit weg sind von der Vorstellung eines gemeinsamen Lebens in Frieden. Seine ganze Hoffnung setzt er auf die Jugend, die Fragen stellt und denen er Antworten gibt. Wir helfen einer von den Erwachsenen weitgehend mit ihren Fragen im Stich gelassenen Generation, die Kriege mit ihren Folgen aufzuarbeiten und sich als Multiplikatoren am Aufbau einer zivilen Ordnung mit innerem und äußerem Frieden zu engagieren. „Wenn nur 10 % der Jugendlichen das tun, bin ich zufrieden“, sagt Zdravko.

Zu 12)

Sarajevo war für uns alle, die Jugendlichen wie uns Erwachsene, eine unvergessliche Erfahrung. Der Krieg war hier noch so nah, dass er jeden von uns berührt hat. Es waren nicht nur die äußeren Zeichen, die Einschüsse von Granaten, die Erfahrung im Tunnel, durch den die Einwohner den Krieg überlebt haben, die Gedenksteine für 11 500 Erwachsene und 1 600 Kinder. Viel tiefer waren die Begegnungen mit Menschen.

Ein Junge aus der bosnischen Gruppe fuhr während der Jugendbegegnung nach Srebrenica, wo sein gerade exhumierter Vater während der großen Feier zum Gedenktag bestattet wurde….. Da fanden wir keine Worte…

Die bosnischen Jugendlichen erzählten von den Kriegserfahrungen ihrer Familien, als hätte der Krieg gerade erst stattgefunden. Für unsere deutschen Jugendlichen waren das sehr bewegende Erlebnisse, und ihnen wurde bewusst, wie behütet sie bei uns aufgewachsen sind.

Sehr nahe sind uns allen die Begegnungen vor allem mit 3 Menschen gegangen, die während des Kriegs im KZ gesessen haben, ein Serbe, ein Kroate, ein Bosniake. Sie beantworteten die  Fragen unserer Jugendlichen: Was haben sie erlebt? Wie haben sie das Grauenvolle überlebt? Wie haben sie es hinterher verarbeiten können, ohne in Hass und Rache zu verfallen?

Wir hörten in einigen Vorträgen, dass sich Sarajevo durch einen besonderen Geist auszeichnet, der die Stadt vom übrigen Bosnien unterscheidet: den Geist der Toleranz. Sarajevo hieß bereits vor dem Krieg „Stadt der Toleranz“, und es ist den Menschen gelungen, diesen Geist durch den furchtbaren Krieg hindurch zu tragen und hinterher die schlimmen Erfahrungen zu verarbeiten. Es gelingt ihnen durch ihre Haltung, niemals ein ganzes Volk für schlimme Taten zu verurteilen, sondern zu unterscheiden zwischen normalen Menschen und denen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich sind. So beschuldigen sie nicht pauschal das serbische Volk, sondern bringen einzelne Kriegsverbrecher vor Gericht. Das war für unsere Jugendlichen ein gutes Vorbild.

Zweitens haben sie aus den Fehlern des 2. Weltkriegs gelernt, wo hinterher jede Trauer, jedes Sprechen über die Kriegserlebnisse verhindert und nur der Blick nach vorne gestattet wurde. All das Verdrängte trug dazu bei, dass die Kriege der 90er Jahre mit solcher Brutalität geführt wurden. Jetzt pflegt man in Sarajevo eine „Kultur der Erinnerung“.

In einem Dokumentationszentrum werden Daten über alle getöteten und vermissten Menschen gesammelt, so dass Angehörige etwas über ihre verloren gegangenen Menschen erfahren können. Es gibt etliche Gedenkstätten, die in ihrer Größe eindrucksvoll sind. Künstler haben eine 1 km lange Reihe aus roten Stühlen für alle Opfer der Stadt im Krieg gestaltet, 11 500 für Erwachsene und 1 600 Stühlchen für die Kinder. So geht niemand verloren, so hat jeder einen Platz in der Gemeinschaft  und in der Erinnerung. Diese Erfahrungen im Zusammensein mit Menschen, mit Zeitzeugen, mit denen wir eine Woche lang gesprochen haben, sind uns allen sehr zu Herzen gegangen.

Das Resumee der Woche war: 1) Wir müssen alles tun, um weitere Kriege zu verhindern, und dazu gehört, die Vergangenheit zu verarbeiten. 2) Nationalismus, der zum Krieg führt, ist nicht Eigenschaft eines Volkes, es kann in jedem Volk zu jeder Zeit geschehen. 3) Wir dürfen niemals ein ganzes Volk verurteilen, sondern müssen sehr genau schauen, wer schuldig geworden ist und bestraft werden muss.

Ich glaube, dass diese Erfahrungen sich allen Jugendlichen tief eingeprägt haben. Wir hatten ja serbische und bosnische Jugendliche in unserer Gruppe, also Kinder der Kriegsgegner, aber die Beziehungen untereinander waren ungetrübt freundschaftlich.

Nach Sarajevo brauchten wir alle Erholung und fanden sie in Drvenik, einem Dorf in Kroatien an der Adria. Hier konnten wir alle zur Ruhe kommen, und die Jugendlichen hatten ein paar fröhliche Tage, die die Jugendlichen nochmals weiter zu einer Gruppe zusammengebracht haben. Für die serbischen und bosnischen Jugendlichen war der Aufenthalt am Meer etwas ganz Besonderes. Sie hatten noch nie Urlaub und noch nie das Meer erlebt. Der Abschied am Ende war tränenreich.

Es gibt wie immer Überschneidungen: einige Jugendliche des Sommercamps nahmen auch an der Jugendbegegnung teil, einige sogar zusätzlich an der wöchentlichen Gruppe.

Bemerkenswert ist, dass ein 18 jähriger Junge, nachdem er 2011 an unserer Jugendbegegnung teilgenommen hat, selber ein Projekt nach unserem Vorbild auf die Beine gestellt hat. Mit Hilfe von Lehrern und Eltern führte er ein multiethnisches Camp durch, das auch gut gelang. Für uns ist das eine große Freude!

Zu 13)

Die „Karawane des Friedens/ der Freundschaft“ sollte bereits vor einem Jahr stattfinden.  Das gelang nicht aus 2 Gründen: Es gab organisatorische und finanzielle Gründe. Eine amerikanische Organisation, die Friedensprojekte unterstützt und mit deren Hilfe Zdravko gerechnet hatte, hat abgesagt mit der Begründung, für Friedensarbeit sei es zu früh. Das ist schwer nachzuvollziehen. Es zeigt aber auch, für wie brenzlig die Situation immer noch eingeschätzt wird. Für uns ist genau die richtige Zeit für Friedensarbeit – auch bei so viel Gegenwind und gerade deshalb !

Wir haben 2012 viel bewegt und freuen uns sehr, dass es weiter geht. Wir hoffen, dass Zdravko, der inzwischen 71 Jahre alt ist, noch eine Weile durchhält, denn zu unserem Kummer findet sich in Serbien kein Nachfolger. So sind wir froh um jedes Jahr, in dem wir noch arbeiten und immer neue Jugendliche erreichen können, die das Erlebte nicht vergessen und uns Hoffnung geben für eine Zukunft in Frieden.

Wir hoffen, dass Sie uns treu bleiben und mit Ihrer Spende unsere Friedensarbeit weiter unterstützen und – genau so wichtig –  uns auf diese Weise auch persönlich den Rücken stärken.

Danke für die Hilfe in 2012 und herzliche Grüße

Christiane Bertram

 

 

 

Kommentare sind geschlossen.