Liebe Spenderinnen und Spender, liebe Freunde unseres Projekts,
das bisherige Jahr war voller Erlebnisse, und da ich den Brief nicht überfrachten will, schreibe ich heute vor allem über die deutsch-serbisch.bosnische Jugendbegegnung und schicke im Dezember einen Jahresbericht über Zdravkos Projekte.
Für die eiligen LeserInnen:
1) Die Jugendbegegnung fand dies Mal in Bosnien und Kroatien statt und war voller bewegender Erfahrungen, die mich noch lange beschäftigen werden. Der Krieg in Bosnien ist erschreckend wenig verarbeitet. Neben dem Grauen, mit dem wir konfrontiert waren, gab es auch Begegnungen mit Menschen, die uns durch ihre Friedensinitiativen beeindruckt haben. Uns wurde sehr deutlich, dass unsere Friedensarbeit mit der Jugend das Einzige ist, was noch Hoffnung für die Zukunft gibt.
2) Zdravko hat ein Buch geschrieben, das unter dem Titel „Tuzna zemlja i godine nade“ (Ein trauriges Land und Jahre der Hoffnung) veröffentlicht wurde.
3) Die Folgen der Flutkatastrophe sind verheerend: traumatisierte Menschen, zerstörte Häuser, vernichtete Ernte und damit steigende Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide und Öl. Viele BrückenbauerInnen haben mit den Gemeinden Bensberg und Altenberg/ Schildgen Spenden gesammelt, die wir übergeben haben.
4) Am Sonntag, den 14. Dezember um 14.30 Uhr findet im Altenberger Dom ein Benefizkonzert statt („Adventliches und Vorweihnachtliches“). Der Erlös geht als Winterhilfe nach Becej. Wahrscheinlich wird die Bethestiftung die Spendeneinnahmen verdoppeln.
5) Am Sonntag, den 10. Mai findet abends ein letztes Mal ein Benefizkonzertfür unsere Friedensprojekte im Rathaussaal Bensberg statt. Näheres dazu im Dezember.
Für die LeserInnen mit mehr Zeit:
Zu 1) Die von Sabine Gresser-Ritter aus der Kirchengemeinde Schildgen organisierte Jugendbegegnung ist immer mehr eine gegenseitige Ergänzung mit den Friedensprojekten, die Zdravko in Zusammenarbeit mit „Brücken bauen“ durchführt. Die jugendlichen TeilnehmerInnen vom Balkan sind oft bei allen Projekten dabei. Diesmal war endlich wieder ein Romajunge dabei, der gut integriert war.
Es fällt mir schwer, die diesjährige Jugendbegegnung in Worte zu fassen, weil uns so viele Erlebnisse in Bosnien erschüttert haben, die uns sprachlos gemacht haben. Wir wohnten in Kazarac, einem Ort, in dem im Bosnienkrieg (1992-1995) ähnliche Massaker wie in Srebrenica stattfanden, die Bevölkerung wurde auf die Hälfte dezimiert, die Stadt weitgehend zerstört. Unser Haus hieß „Haus des Friedens“, mit Hilfe vieler Frauen aus aller Welt aus einer Ruine aufgebaut. Die Initiative ging von einer Frau aus, die mit ihren Kindern im Kz (einem von 30) war und nach ihrer Entlassung den Wunsch hatte, sich zu engagieren, dass so etwas nie wieder geschieht. Uns hat diese Frau mit allem, was sie erlebt hatte, und dem, was sie daraus gemacht hat, sehr beeindruckt. In unserem Speisesaal war eine ganze Wand voller Porträts: es waren nur die Angehörigen und Freunde ihrer Familie, die damals umgekommen sind. Ich fand es zuerst sehr schwer auszuhalten, aber nachdem ich jeden Tag in Ruhe in diese Gesichter geschaut habe, fand ich es von Tag zu Tag schöner, dass die Erinnerung an diese Menschen bewahrt wird und sie nicht anonym untergehen in den vielen Gedenktafeln mit den Tausenden von Namen.
Wir haben viel erlebt, was bedrückend war, was zu der Geschichte dieser Stadt und dieses Landes gehört. Wir haben anlässlich einer -von der Regierung unerwünschten – Gedenkfeier ein KZ besucht und kamen zufällig mit zwei Überlebenden ins Gespräch. Ein Mann erzählte weinend, was er an diesem Ort erlebt hatte, und auf einmal war diese vergangene Zeit so nah, dass wir mit ihm weinten. Viele Menschen hatten sich durch Platzregen und Schlammwege zu dieser Feier begeben und leisteten so Widerstand gegen das politisch verordnete Verdrängen. Die Namen Tausender Getöteter wurden verlesen, für jeden wurde ein weißer Luftballon mit seinem Namen in den Himmel geschickt.
Bei einem Besuch in einer Moschee erfuhren wir im Gespräch mit dem Imam viel über den Islam. Es war beeindruckend, dass er trotz Betroffenheit der Muslime keine pauschale Verurteilung des Tätervolkes äußerte, sondern nur sagte: „Das waren ein paar Verrückte, die das angezettelt haben“. Dasselbe erlebten wir bei einer muslimischen Familie, bei der nur die Frauen überlebt haben, die Männer ermordet, der Sohn tot in den Vorgarten geworfen, aber: kein Wort des Hasses. Zdravko brachte uns zu diesen Menschen, die anders reagieren als viele, die uns besorgt machen.
Wir machten dann auch die Erfahrung mit der anderen Seite, den Verbrechen an den Serben. Im Kozaragebirge besuchten wir ein Dokumentationszentrum, wo wir erfuhren, wie im 2. Weltkrieg deutsche und kroatische Faschisten gemeinsam eine Ausrottung der dortigen Serben vornahmen. Auch hier nahmen uns die Erzählungen den Atem. Wir erfuhren (alle zum ersten Mal), dass es ( 5 ) Kinder-KZs gab. Wer kann sich so etwas ausdenken und ausführen….
Uns wurde wieder deutlich, dass Grausamkeiten in Völkern nicht einfach mit der Zeit vergessen werden, sondern die Erinnerungen bleiben unter der Oberfläche und suchen sich irgendwann einen Anlass, um als Gewalt auszubrechen. So werden immer wieder Opfer zu Tätern und umgekehrt. Die Geschichte des Balkans ist ein Beispiel dafür.
Was uns sehr getröstet hat in all dem Elend, sind die Gedenkstätten der Muslime im Ort. Nirgends herrscht ein „Geist der Rache“. Alle sind sehr bewusst so gebaut, dass sie hell und schön sind und dadurch Orte der Erinnerung und der Trauer. Uns erinnert das an Sarajevo, wo auch versucht wird, die Vergangenheit nicht zu verdrängen, sondern der Trauer einen guten Ort zu geben. Ich glaube, es gibt keinen besseren Weg, das Geschehene zu bewältigen, als sich zu erinnern und zu trauern.
Unsere Arbeit mit den Jugendlichen bestand vor allem aus zwei Punkten: A) Wir haben vermittelt, dass die Möglichkeit zu Nationalismus, Faschismus, Gewaltausbrüchen in allen Völkern liegt und zu verschiedenen Zeiten bei entsprechender Propaganda ausbrechen kann. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass man nie ein ganzes Volk pauschal verurteilen kann. –B) Wir konnten den Jugendlichen lebendige Beispiele dafür zeigen, wie man eigene erlittene Gewalt und Unrecht in Initiativen für Gewaltlosigkeit und Frieden umwandeln kann. – C) Wir haben darüber gesprochen, was wir tun können, um solchen Entwicklungen zu Krieg oder Faschismus entgegen zu wirken.
Zu 3) Wir haben einen großen Teil der Spenden für die Flutopfer an die Klinik in Banja Luka gegeben, die eine große betroffene Region versorgen muss. Die Verwendung eines weiteren Teils der Spenden haben wir direkt am Ort für besonders betroffene Familien, besonders solche mit Kindern, bestimmt. Einige haben wir persönlich besucht. In Prijedor, nahe bei Kozarac, sind im Krieg viele Menschen geflohen, und als sie zurück kamen, mussten sie zuerst einmal ihre zerstörten Häuser wieder aufbauen. Als jetzt die Flut kam, haben sie alles wieder verloren. Die Gesichter, in denen der Horror des Erlebten noch zu lesen war, werde ich so bald nicht vergessen. Wir haben das Geld der Frau für die Einkäufe zur Verfügung gestellt, die das „Haus des Friedens“ (s. unter 1) erreichtet hat, die dann mit uns abrechnet.
Zu 4) Als „Brücken bauen“ die humanitäre Hilfe für Becej eingestellt hat, hat die ev. Kirchengemeinde Schildgen die Winterhilfe für Becej als Projekt übernommen und führt sie weiter. Darum organisieren nicht wir dieses Konzert, sondern die Kirche. Die Bethe-Stiftung hatte für künftige Benefizkonzerte von „Brücken bauen“ eine Verdoppelung der Spendeneinnahmen zu gesagt und wird dies vermutlich auch für dies ehemalige Brückenbau-Projekt tun. Bitte notieren Sie sich den Termin!
Ich melde mich Anfang Dezember noch einmal, dann mit Spendenbitte…
Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute und sende Ihnen herzliche Grüße
Christiane Bertram