Liebe Spenderinnen und Spender, liebe Freunde unseres Projekts,
wieder ist ein Jahr vergangen…. Wie versprochen, will ich heute meinen Brief vom September ergänzen durch einen Jahresüberblick über unsere Arbeit und die Situation in Serbien. Es gibt wie immer Schönes und Trauriges.
Vorweg eine gute Nachricht: Die Musiker haben ihre Planung für unser letztes Benefizkonzert abgeschlossen.
Letztes Benefizkonzert
Musik zum Thema „Himmel und Hölle“ („Geister und Teufel“)
Beethoven: Geistertrio
Fritz Kreisler: O Sanctissima
Tartini: Teufelstriller-Sonate
Schubert: Adagio aus dem Klaviertrio Es-Dur
(Zugabe: Piazolla: Tango: La muerte del Angel)
Wann:
Sonntag, den 10. Mai 2015 um 18 Uhr (Einlass ab 17 Uhr)
Wo:
Rathaussaal Bensberg
Wer:
Nobuko Nishimura (Klavier)
Pierre-Alain Chamot (Violine)
Gudula Finkentey (Cello)
In dieser Besetzung haben Sie bereits bei uns das Konzert „Musikalische Kostbarkeiten aus Osteuropa“ gehört, auf das es so begeisterte Reaktionen gab. Also : Kommen Sie und bringen Sie weitere Gäste mit. Wir freuen uns sehr auf dieses anspruchsvolle Konzert.
Wie immer gibt es auch unser berühmtes Büffet, und wir verkaufen Marmelade.
Die Bethestiftung hat uns zugesagt, die Spendeneinnahmen zu verdoppeln, das spornt uns an.
Zum Projekt
Für die eiligen LeserInnen:
1) Die wöchentliche Friedensgruppe mit Jugendlichen hat die Treffen in einem Raum in Backa Palanka aufgegeben, da Kosten und Nutzen in keinem guten Verhältnis mehr stehen. Statt dessen organisieren sie nur noch und mehr als bisher Reisen und gegenseitige Begegnungen mit Jugendlichen der anderen Republiken. Diese Treffen sind leider seitens der Politik so unerwünscht, dass wir daran unbedingt festhalten werden. Neu ist die Einbeziehung von Makedonien sowie Südserbien, d.h. auch von Albanern und mehr Roma Vielleicht lesen Sie den Teil für Leser mit mehr Zeit dazu?
2) Das jährliche einwöchige Sommercamp mit 30 Jugendlichen aus 4 Republiken fand in Bosnien statt. Wie immer ging es darum, einander kennen zu lernen: bei uns eine Normalität, dort im wahrsten Sinne des Wortes not-wendig , wenn Frieden entstehen soll. Die politischen Bedingungen dafür sind fast entmutigend. (S. Anhang zu 1)) Die Jugendlichen haben die Angebote begeistert angenommen: Workshops, Malkurse, Ausflüge, auch nach Sarajevo.
3) Die „Karawane des Friedens“ ist weiterhin aktiv. Besonders gut ist, dass Jugendliche und junge Erwachsene nicht nur teilnehmen, sondern auch an der Organisation beteiligt sind und die Themen der Jugend aufgreifen. In einem Land, wo 75 % der Jugendlichen wegen der Perspektivlosigkeit nicht im Land bleiben wollen, ist das bedeutsam. Im November wurde über die Art der Fortführung 2015 entschieden.
4) Die Zeitung „Tolerancija“ ist inzwischen als regionale Zeitung angenommen worden. 2014 sind 10 Ausgaben erschienen. Zdravko versucht, für 2015 Mitglieder seiner „Brücke der Freundschaft“ dafür zu gewinnen, sich finanziell zu beteiligen, weil diese Zeitung so wichtig ist, um Informationen zu verbreiten, die sonst nirgends gemeldet werden. Das betrifft sowohl die politische Situation in den Republiken als auch die Aktivitäten der Friedensgruppen.
5) Die Flutkatastrophe, die im Frühjahr ein Drittel Serbiens und Bosniens verwüstet hat, hat andauernde Folgen. Die Saat wurde vernichtet, die Bauern versuchten eine zweite Aussaat, aber die reifte nicht mehr. So steigen die Kosten für Grundnahrungsmittel (Mehl und Öl) so, dass sie für viele nicht bezahlbar sind. Die Nachrichten über die Not sind herzzerreißend. Die Ev. Kirchengemeinde Schildgen und die Diakonie Düsseldorf leisten wieder eine Winterhilfe für Becej, nachdem Brücken bauen diese eingestellt hat. Die Situation ist schwierig: Einerseits muss man politisch denkend sagen, dass die Bürger sich gegen ihre korrupten Politiker wehren müssen und sich für demokratische Verhältnisse einsetzen, andererseits kann man das Elend kaum mit ansehen, ohne zu helfen, das gilt auch für die psychische Verwahrlosung zwischen Werteverlust und tiefer Resignation. Zdravko sagt immer: „Es muss sich erst etwas in den Köpfen ändern.“ Wir tragen unseren Teil dazu bei.
6) Bei privaten Spenden können Sie immer noch die alte Kontoverbindung, die alten Überweisungsträger benutzen
Für die LeserInnen mit mehr Zeit:
Zu 1) Das Versammeln von Jugendlichen in Backa Palanka ist unter den dortigen politischen Bedingungen sehr schwierig. Auch in anderen Städten, in denen sich Zdravko umgesehen hat, ist es ein Problem, Jugendliche für das gegenseitige Kennenlernen zu gewinnen, weil sie praktisch nichts übereinander und andere Ethnien wissen. Sie erfahren es auch nicht in den Schulen, im Gegenteil.
In einem Workshop im Sommer mit einem Professor in Bosnien erfuhren wir, wie tief die Gräben sind. Die Spaltung Bosniens seit Dayton mit der rigorosen Abtrennung der Volksgruppen voneinander ist bestehen geblieben, da die führenden Politiker davon profitieren. Die Schäden gehen bis weit in die Gesellschaft, da die Trennung sämtliche Bereiche betrifft, die gesamte Bürokratie und – viel schlimmer – der ganze Bildungsbereich sind betroffen. Da wiederum ist das Gefährlichste die Trennung schon ab den Grundschulen, und die meisten Schulleiter tragen das mit. Das bedeutet, dass immer noch die Kinder in den Schulen nicht in gemeinsamen Räumen sein können, dass die Schulhöfe strikt getrennt sind und alle Begegnungsmöglichkeiten verhindert werden. Mancherorts werden dann die Schüler auf der einen Seite massiv gegen die auf der anderen Seite aufgehetzt. Daraus kann nur Schlimmes entstehen. Wir haben den Eindruck einer aufgeladenen Atmosphäre von dort mitgebracht und sind äußerst besorgt ! Es ist bedrückend, wenn pazifistische Menschen darüber nachdenken, dass nur noch eine –wenn auch sanfte -Revolution etwas ändern kann. – Ich habe mich Jahre lang gefragt, warum es Zdravko so schwer hat, Jugendliche für seine Projekte zu gewinnen. Ich dachte, er sei vielleicht ungeschickt. Ich habe ihm Unrecht getan. Erst jetzt verstehe ich, dass ihm tatsächlich schon die Unterstützung der Schulleiter fehlt, die keinerlei Interesse haben, dass Kinder verschiedener Ethnien sich kennen lernen. Und das hat System.
Zdravko hat nun in einigen Orten in Serbien Koordinatoren aus den Mitgliedern seiner „Brücke der Freundschaft“ gefunden, die den Boden für Jugendbegegnungen vorbereiten sollen. Es freut uns sehr, dass er jetzt Beziehungen zu Südserbien aufbaut, das politisch und kulturell unterschiedlich vom Norden ist. So entstehen jetzt Kontakte zu Medvezda, wo Albaner und Serben leben, und zu Vlasotince, wo Serben mit Roma leben, ebenso zu Bitola (Mazedonien) und Kozarac (Bosnien), über das ich im September berichtet habe (Massaker im Krieg, jetzt Friedenszentrum), wo orthodoxe Serben und Moslems wieder zusammen leben.
Zu 4) Als ich besorgt nachfragte, ob die „Tolerancija“ mit dem Ende von Brücken bauen eingestellt wird, erzählte Zdravko von seinen Bemühungen, die Zeitung mit einer anderen in Sarajevo zusammen zu schließen, die sich auch gegen den Faschismus engagiert. Es gäbe dann weniger Ausgaben, ginge aber immerhin weiter.
Zu 5) Es gibt in Bosnien (Sarajevo) erste Aktionen des Widerstands, und von Serbien erfuhr ich, dass nach einer starken Kürzung von Gehältern im November Streiks stattfanden, z.B. von Lehrern und im Gesundheitswesen. Mit einem Durchschnittsgehalt von 370 Euro kann man nur schwer leben, und es gibt in anderen Bereichen Einkommen von 150 Euro…
Die Einblicke, die wir in diesem Jahr bekommen haben über die grundsätzliche Situation , bedrücken mich sehr, da im Moment kein Ausweg greifbar erscheint. Ich brauchte in den letzten Monaten viel Energie, mich nicht entmutigen zu lassen. Ich möchte mehr bewegen und verändern als ich kann. Dennoch: Ich bin mir ganz sicher, dass wir ständig Samen legen, aus denen die nächste Generation etwas Neues wachsen lassen kann. Schnell geht gar nichts, die Prozesse müssen so tief sein, dass sie viel Zeit brauchen, und wir begleiten mit Hoffnung die nächsten Schritte…
Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und ein gesundes, zufriedenes, gutes Jahr 2015,
Christiane Bertram