Liebe Spenderinnen und Spender, liebe Freunde unseres Projekts,
nach einigen ereignisreichen Monaten berichte ich Ihnen wieder über unsere Arbeit, die sich zu unserer Freude ständig weiterentwickelt und ausdehnt. Im Dezember werde ich Sie noch ein letztes Mal um Spenden für das Jahr 2016 bitten. Ab 2017 geht die Arbeit in Form der bisherigen Jugendbegegnungen (Deutschland – Balkan) unter dem Namen „Brücke der Freundschaft“ weiter. Mich freut es sehr, dass unser Anliegen weitergetragen wird von Sabine Gresser-Ritter (Andreaskirche Schildgen), die mein volles Vertrauen hat und mit der ich weiter zusammenarbeiten werde.
Für LeserInnen mit wenig Zeit:
1) Die deutsch-serbisch-bosnische Jugendbegegnung war auch in diesem Jahr ein besonderes Erlebnis. Einige Tage in Polen hatten zum Thema: Versöhnung zwischen Deutschen und Polen nach den schrecklichen Ereignissen im 2. Weltkrieg sowie Fragen nach Toleranz, Umgang mit dem, was uns fremd ist, und Widerstand gegen Gewalt und Unrecht, – eine aktuelle Frage bei uns (z.B. Thema Flüchtlinge…) und auf dem Balkan.- Dem Polenaufenthalt schlossen sich Tage auf Usedom an mit viel Freizeit bei Sommerwetter und inhaltlichen Workshops.
2) Das diesjährige von „Brücken bauen“ finanzierte multiethnische Sommercamp fand im Juli erstmals in Südserbien statt, neben serbischen nahmen auch ungarische, bosnische, makedonische Jugendliche und Roma teil. Dies ist etwas Besonderes, weil die Friedensarbeit in Südserbien besonders schwierig ist wegen der starken Spannungen zwischen Serben, Makedoniern, Albanern und Roma. Das Camp ist gut gelungen, und wir freuen uns über diesen ersten Erfolg im Süden!
3) Das Benefizkonzert im Mai war für alle Teilnehmer ein starkes Erlebnis, weil es ein Abschiedskonzert war und die Musik („Himmel und Hölle“) nicht nur virtuos gespielt war, sondern auch sehr berührend. Die Musik, die Atmosphäre und der Rahmen waren ein würdiger Abschied von dem Engagement über 16 Jahre, und der Lohn waren über 4000 Euro an Spenden, die die BetheStiftung verdoppeln will.
4) Die wirtschaftliche Situation in Serbien ist weiterhin katastrophal, es gibt Besserungen in großen Städten, aber die gehen an kleinen Städten wie Becej vorbei. Die Privatisierungen machen Menschen arbeitslos, davon betroffen ist z.B. auch die Flüchtlingsfamilie aus dem Lager, deren Tochter Ana wir ein Studium ermöglicht haben. Kleine Firmen überleben nur kurz, da sie bei Erfolg so mit hohen Steuern belastet werden, dass sie schließen müssen So wird die Ev. Andreaskirche in Schildgen wieder eine „Winterhilfe“ leisten. Besonders schwierig ist die Situation seit Monaten durch viele Albaner, die aus dem Süden kommen und viele Probleme durch Drogen, Gewalt und Prostitution mitbringen. Im Moment sehen wir im TV, wie Serbien von Flüchtlingen überschwemmt wird und damit nicht fertig wird, da man schon die eigenen Bürger nicht versorgen kann.
5) In meinem üblichen Weihnachtsbrief werde ich nicht nur ein letztes Mal um Spenden bitten, sondern auch die Kontoverbindung für Spenden für die Jugendbegegnungen mitteilen. Einige unserer Spender sagten mir bereits, dass sie die Fortführung von „Brücken bauen“ gerne weiter unterstützen würden. Das ist das Schönste, was unserem Engagement passieren kann.
Für LeserInnen mit mehr Zeit:
Zu 1) In Polen waren wir auf dem früheren Gut Kreisau, dem Gut der Familie Moltke, wo der Kreisauer Kreis im 3. Reich tagte. Moltke war einer der führenden Köpfe dieses Kreises, der sich Gedanken über einen gewaltlosen Widerstand gegen Hitler machte und sich die Frage stellte, wie man nach Hitler aus dem moralischen „Scherbenhaufen Deutschland“ einen Staat auf anderen Grundlagen aufbauen kann: „…gegen einen Geist der Enge und Gewalt, der Überheblichkeit, der Intoleranz und des absoluten, erbarmungslos Konsequenten…“ – Auf diesem Gut sind eine Stiftung für europäische Verständigung und dann eine internationale Jugendbegegnungsstätte entstanden, geleitet von sehr engagierten Menschen, getragen von dem Willen nach Versöhnung. Wichtig für uns waren die konkreten Beispiele , wie Aktivitäten zur Versöhnung aussehen können, wie der Prozess einer Wiederannäherung nach einem Krieg, wie sie auf dem Balkan immer noch nicht möglich ist, aussehen kann. (Beispiele: Pax Christi, Bensberger Kreis, Breslauer Intellektuelle, Aktion Sühnezeichen).Die Atmosphäre auf dem Gut und in den Workshops hat unsere Gruppe erfüllt, verbunden und auch noch auf Usedom getragen. – Auf Usedom wurde weiter an der Frage nach eigenen und gesellschaftlichen Werten, nach humanistischen und religiösen Werten sowie Vorurteilen und deren Überwindung gearbeitet.
Zu 2) Begleitet wurde das Camp von Novicar, den wir bereits letztes Jahr in Kozarac kennen gelernt haben. Er ist Veteran, der nach dem Krieg vor Gericht gestellt wurde, weil er jungen Soldaten über die Gräuel des Krieges, aus dem er schwer verwundet hervor ging, erzählt. In Serbien ist es Veteranen verboten, öffentlich zu berichten, wie schlimm der Krieg war und wie traumatisiert viele davon sind. Trotzdem hat Novicar in mehreren Prozessen am Ende gesiegt und kämpft weiter für Aufklärung und organisiert Friedensarbeit mit Kindern und Jugendlichen – wie Zdravko. Über die Situation in Südserbien werde ich im Winter im Jahresrückblick berichten, dann habe ich alle Informationen über die schrittweise Ausweitung unseres Projekts nach Süden.
Zu 3) Den Abend verzaubert haben die Musiker Pierre-Alain Chamot, seine Frau Gudula Finkentey und Nobuko Nishimura, die diese wunderbare Musik eigens für dies Konzert geprobt haben. Das Besondere war auch, dass Pierre-Alain Chamot schon bei unserer ersten Mahnwache 1999 gegen den Krieg mit seiner Geige bei uns auf der Straße stand und eine Bach-Solosonate spielte. Dass er auch beim Abschiedsabend musizierte, war schön und schlug den Bogen über 16 Jahre. Die Resonanz der Zuhörer war Berührung…
Zu 4) Ich habe in Becej immer wieder gefragt: „Warum wehrt ihr euch nicht gegen die offensichtliche Korruption eurer Politiker? Warum geht ihr nicht auf die Straße und protestiert?“ Die Antwort lautet überall gleich und auch bei Zdravko: Es herrscht ein Zustand der Rechtlosigkeit, die Gesetze, die es gibt, werden nicht eingehalten und man kann sich darauf nie berufen. Polizei und Politik sind so eng verflochten, dass sich niemand traut zu protestieren, weil der Staat auf Protest mit Gewalt reagiert. Dazu kommt die Atmosphäre von Apathie wegen Perspektivlosigkeit, Verzweiflung , weil sich nichts ändert, und große Müdigkeit von 20 Jahren Kampf ums reine Überleben. Es ist schwer für mich, darauf aus meiner leichteren Situation heraus zu antworten. Ich bin aber froh, dass wir so viel tun, um wenigstens die Jugend aus diesem Teufelskreis wirtschaftlicher Not, Verlust von Werten und Chancenlosigkeit der jungen Generation heraus zu holen. Wir sehen in aller Welt, wie davon sonst faschistische, nationalistische, rassistisch denkende Gruppen profitieren.
Im Winter melde ich mich wieder mit Berichten aus diesem Jahr. Bis dahin wünsche ich Ihnen allen einen schönen Spätsommer und Herbst.
Immer wieder in großer Dankbarkeit für die Unterstützung bei dieser schönen gemeinsamen Aufgabe grüße ich Sie herzlich
Christiane Bertram